Listenhunde

Was sind sogenannte „Listenhunde“? Sind das Kampfhunde?

Hundelisten zählen Hunderassen (und deren Mischlinge) auf, für die es gewisse Auflagen oder Verbote gibt. Die Auswahl der jeweiligen Rassen sind politische Entscheidungen. In Österreich werden solche Listen auf Länderebene erstellt, in manchen Ländern wie Dänemark, Frankreich oder der Schweiz gibt es Regelungen für das gesamte Land. Die jeweiligen Listen weisen (selbst innerhalb von Österreich) zum Teil völlig unterschiedliche Rassen auf. So steht beispielsweise der Rottweiler in Vorarlberg nicht auf der Liste, dafür der Rhodesien Ridgeback. Dänemark hingegen hat hauptsächlich Herdenschutzhunde als gefährlich eingestuft, Rassen die man in Österreich kaum auf den Listen findet.

In verschiedenen Ländern werden teils völlig unterschiedliche Rassen als „gefährlich“ eingestuft.

Wenn also von DEN Listenhunden gesprochen werden,  sollte man stets fragen, von welcher Liste gesprochen wird.

Von Kampfhunden wird korrekterweise dann gesprochen, wenn diese zu Hundekämpfen gezüchtet oder verwendet werden. Das ist schon lange verboten, und wird von den Zuchtverbänden abgelehnt.

Welche Auflagen herrschen für die jeweiligen Rassen?

Je nach Land können die Auflagen von verpflichtenden Prüfungen (z.B. Hundeführschein), verpflichtenden Wesenstests oder gar absolutes Haltungsverbot reichen.

Verpflichtende Schulungen gibt es interessanterweise keine.

Wie entstehen diese Listen?

Anlassgesetzgebung
In manchen Fällen entstehen diese Listen nach tragischen, zum Teil tödlichen Vorfällen. Dass furchtbare Beißunfälle zum Anlass genommen werden, Maßnahmen zu ergreifen, ist nachvollziehbar. In der Regel werden die genauen Umstände der Vorfälle leider nicht eruiert und keine Fachleute zu Rate gezogen. Auf die Rasse des involvierten Hundes wird häufig allein aufgrund des Aussehens des Hundes geschlossen (in den wenigsten Fällen kann auf Zuchtpapiere zurückgegriffen werden).

Präventivgesetzgebung
In  manchen Fällen wird „präventiv“ eine Liste erstellt, und willkürlich Hunderassen dafür ausgewählt. Einige Rassen findet man ohne einen einzigen Beißvorfall auf Listen. So zum Beispiel in Wien, als bei der Einführung der Rasseliste kein einziger Beißvorfall mit 4 der gelisteten Rassen dokumentiert war (offizielle Statistik für Wien, 2007-2009).
Warum manche Rassen auf der Liste landen und andere nicht, ist also nicht nachvollziehbar. Je nach Bundesland fallen die Listen in Österreich mal länger und mal kürzer aus.

Jederzeit erweiterbar
Diese Listen sind jederzeit erweiterbar und jede Rasse kann betroffen sein. So kann es sein, dass sich eine Familie einen Hund anschafft und aufgrund plötzlicher politischer Veränderung damit rechnen muss, ohne Verschulden mit Auflagen wie beispielsweise Maulkorbzwang oder Ähnlichem konfrontiert zu sein.

Nach welchen Kriterien werden die Rassen ausgewählt?

Keine Datengrundlagen
Es wurden bis dato keine Datengrundlagen der jeweiligen Listen offengelegt. Wie diese zustandekommen bleibt ein gut gehütetes Geheimnis. Dass rational messbare, objektive Kriterien dahinterstehen, kann bezweifelt werden.

Bestimmte Rassemerkmale?
Weder die relative Anzahl an Beißvorfällen noch die Größe der Hunderasse sind Grundlagen solcher Listen. So findet man beispielsweise den Rottweiler auf der Wiener Liste, der in etwa gleichartig „verwendete“ Dobermann hingegen nicht. Ebenso ist in Wien der Mastin Espanol ein Herdenschutzhund aus Spanien gelistet, während der Kangal, ein ebenso großer Herdenschutzhund, nicht auf der Liste steht.

Der (English) Staffordshire Bullterrier wiegt im Schnitt 12 Kilo. Er wird als Familien- und Begleithund gezüchtet.

Eine Rasse findet sich beispielsweise auf allen Listen in Österreich trotz positivem Fachgutachten: Dr. Dorit Feddersen-Petersen, Ethologin und Fachtierärztin für Verhaltenskunde hat ein Gutachten über den (English) Staffordshire Bullterrier erstellt und kommt zu folgendem Schluss:

[…] Im Vergleich der Rassen (Kategorie I) liegt der Staffordshire Bullterrier mit fast 60% aller gestesteten Tiere dieser Rasse von exzellenter Bewertungen der Spitze der sozial verträglichen Hunde. […]
„Mir ist kein Beißzwischenfall mit einem Hund der Rasse Staffordshire Bullterrier bekannt, der auch nur andeutungsweise auf eine besonders geartete bzw. sog. “gesteigerte“ Aggressivität , die besondere Gefahren birgt, hinweist. Mir ist gar kein Beißzwischenfall, in den Staffordshire Bullterrier involviert waren, bekannt.“ Dr. Dorit Feddersen-Petersen
[…] Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Anstatz bei der vermeintlich „gefährlichen“ Rasse falsch ist. Dieses verdeutlicht der Staffordshire Bullterrier per exellence. Er fehlt in objektiv erhobenen, validierbaren Beißstatistiken, er fällt durch besondere Verträglichkeit bei unseren Wesenstests auf, er wird in der kynologischen, und der „gehobenen“ kynologischen Literatur als kleiner Begleit- und Familienhund genannt – und seine Besitzer nach unseren Erhebungen genau aus diesem sozialen Bereich […]. (Siehe auch das Buch „Hundepsychologie“, Feddersen-Petersen)

Beißkraft als Kriterium?
Es gibt keine wissenschaftlichen aussagekräftigen Studien zur Beißkraft von Hunden, insbesondere weil es schwierig ist, diese zu messen. Es gibt zwar eine Studie, bei der anhand eines Sensors an einem Kauknochen die Beißkraft gemessen werden sollte, bei der aber keine rassespezifischen Unterschiede festgestellt werden konnten.

Größe als Kriterium?
Es gibt viele große, „furchterregende“ Hunde, manche sind aufgelistet, manche nicht. Auf der Liste Wien beispielsweise stehen einige sehr große Hunde, einige mittelgroße und der oben erwähnte kleine (englische) Staffordshire Bullterrier mit gerade mal 12 Kilo Durchschnittsgewicht.

Gibt es denn überhaupt „gefährlichere“ Rassen als andere?

Ob ein Hund gefährlich ist, hängt von mehreren Faktoren ab:

Zucht
Die genetische Komponente spielt natürlich eine Rolle, hier ist aber nicht die Rasse ausschlaggebend, sondern die Auswahl der Elterntiere. Man spricht auch von verschiedenen Linien einer Rasse.
Eine ebenso wichtige Rolle spielt die verantwortungsvolle Haltung der Mutterhündin und die Aufzuchtbedingungen ihrer Welpen. So kann Stress der Mutterhündin bereits eklatante Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung der Welpen haben.

Sozialisierung
Die frühe Sozialisierung ist eine der wichtigsten Maßnahmen, die das Verhalten des Hundes auf Lebenszeit prägen. Werden Hunde hingegen reizarm und isoliert aufgezogen (beispielsweise in Zoohandlungen oder reinen Zwingerzuchten), oder machen im Welpenalter schlechte Erfahrungen, werden Verhaltensprobleme stark begünstigt.

Erfahrungen mit der Umwelt  
Einen riesen Einfluss auf die weitere Entwicklung haben schlussendlich die Erfahrungen, die ein Hund mit verschiedenen Umweltreizen wie Kindern, Hunden und anderen Tieren macht. Sind diese positiv, ist die Wahrscheinlichkeit von Aggressionsproblemen wesentlich geringer als bei negativen oder fehlenden Erfahrungen. Hier ist die Aufmerksamkeit und Verantwortung des  Hundehalters essentiell, um die Entwicklung des Hundes zu fördern und zu unterstützen.

Der positive Umgang mit dem Hund ist eine wichtige Maßnahme, um Aggressionsproblemen vorzubeugen.

Umgang und Trainingsansatz
Belohnungsbasiertes Training, der Einsatz hundefreundlicher Hilfsmittel sowie ein gut geschulter Hundehalter, der die Bedürfnisse seines Hundes kennt, sind die wichtigsten Voraussetzungen für einen alltagstauglichen Hund. Ein freundlicher Umgang mit dem Hund wirkt sich positiv auf das Menschenbild des Hundes aus und die Wahrscheinlichkeit von Angst- sowie Aggressionsproblemen wird minimiert.

Leider glauben noch immer viele Menschen, dass man Hunde mittels Gewalt zeigen muss, wer der Chef ist. Solche Methoden sind überhaupt nicht notwendig und können Aggressionsprobleme erst recht auslösen.
Aggressionsprobleme durch Strafe zu hemmen und zu unterdrücken löst die Ursache nicht sondern führt vielmehr dazu, dass der Hund höchstens „unter Kontrolle“ ist.

Nicht nur die Kontrolle eines Hundes sollte das Ziel der Erziehung sein, sondern primär ein gut sozialisierter und alltagstauglicher Hund, der mit seiner Umwelt klar kommt!

Aber es gibt doch anspruchsvollere Rassen als andere!

Je nachdem worauf bei der Zucht geachtet wurde, wird – je nach Linie einer Rasse – auf gewisse Eigenschaften selektiert. Dies sollte unbedingt bei der Auswahl eines Hundes berücksichtigt werden und selbstverständlich sollten Züchter auf geeignete Käufer achten.

Ein Border Collie aus Familienzucht kann ein ganz anderes Verhalten aufweisen als ein Hund „derselben“ Rasse aus Arbeitslinie, die noch für die Arbeit im schottischen Hochlandgebiet verwendet werden. Ebenso können schnell Probleme entstehen, wenn Familien sich einen Golden Retriever als reinen Familienund wünschen, sich aber einen Züchter mit Arbeitslinie (ein Jagdhund!) aussuchen.

Beim American Staffordshire Terrier wird in Österreich auf Familienbegleithund selektiert und diese ist sogar eine der wenigen Rassen, bei denen der Zuchtverband sich zu einem Wesenstest zur Zuchtzulassung entschieden hat. Hunde mit Angst- oder Aggressionsproblemen werden also von der Zucht ausgeschlossen. Diese Überprüfung findet jedoch nur bei seriösen, guten Züchtern statt. Kauft man sich einen Welpen von unbekannter Herkunft oder in einer Zoohandlung, kann die Veranlagung ganz anders ausfallen.

Werden die Züchter kontrolliert?

Diese Welpen sind bereits über 14 Wochen alt und haben (legal) ihre Sozialisierungszeit in einem Schaukasten in Österreich verbracht. Mit Verhaltensproblemen wird der zukünftige Besitzer zu rechnen haben.

Die gesetzlichen Anforderungen bei der Aufzucht von Welpen sind äußerst bescheiden. So ist sogar der Verkauf von Welpen in österreichischen Geschäften (wieder!) erlaubt. Die Herkunft dieser Welpen ist für den ahnungslosen Käufern nicht nachvollziehbar und die Aufzuchtsbedingungen völlig unbekannt. Zum Teil verbringen diese  Tiere ihre wichtigste prägende Zeit isoliert in einem kleinen Schaukasten.

Das Züchten von Hunden muss nur der Bezirkshauptmannschaft gemeldet werden. Spezielle Auflagen, Kontrollen und  Ausbildungsnachweise gibt es keine.

Wesenstests für Zuchthunde sind in Österreich nicht vorgeschrieben.

Beispiel: Auf der Homepage einer Zuchtstätte eines Presa Canario Züchters (diese Rasse ist auf keiner Liste zu finden) ist folgende (schockierende) Anweisung zu finden:

Das ist kein „BEGINNER“, Eidideidi Hund, kein Hund der Gleichgeschlechtlichen Kontakt haben sollte und fremden Personen gegenüber SEHR unaufgeschlossen ist. Zaun sollte mindestens 1,50m hoch sein und ein Wachhund dieser Rasse niemals allein im Garten gelassen werden. So lieb und Treu sie in der Familie sind, ist der Schutz des eigenen Territoriums sein größtes Begehr. Dementsprechend aggressiv sein Handeln bei unbefugten Zutritt.

Willkürliche Rasselisten sind wenig sinnvoll wenn Züchter nicht kontrolliert werden!

Welche Maßnahmen sind sinnvoll, um Beißvorfälle zu verhindern?

Sinnvolle Maßnahmen, die schon länger von Experten gefordert werden, sind folgende:

  • Schulung der Hundehalter, insbesondere schon VOR der Anschaffung des Hundes
  • Kontrolle durch Prüfungen wie beispielsweise einen Hundeführschein
  • Verpflichtende Kontrolle und Ausbildung der Züchter
  • Eingreifen bei potentiell gefährlichen Hundehaltern
  • Genaue Analysen der Beißvorfälle
  • Jährlich verpflichtender Tierarztbesuch, um Schmerzen beim Hund frühzeitig zu erkennen
  • Bundesweite Registrierung auffälliger Halter und Züchter
  • Verpflichtende Nachschulung des Hundehalters nach Beißvorfällen
  • Kontrolle der Hundeschulen und Hundetrainer

Fazit

Jeder Hundehalter übernimmt mit der Haltung eines Hundes eine enorme Verantwortung – gegenüber dem Tier und der Umwelt!  Nur die Schulung ALLER Hundehalter, die Kontrolle der Züchter, der Herkunft von Hunden und schnelle Maßnahmen bei Problem-Hundehaltern, sorgen letztendlich für mehr Sicherheit.

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